Vom Reisen und Ankommen

Zurück in Deutschland

Ich sitze im Bus. Lichter fliegen durch die Dunkelheit, wärend er auf der dreispurigen Autobahn richtung München entlang gleitet. Wie immer ist mir kalt. Ich sehe nichtsahnend in die Finsternis abseits der Straße, als es mich wieder rammt wie ein Zug. Die Straße vor mir wirkt plötzlich klein und bröselt an den Rändern, die Scheinwerfer zerren vereinzelt Palmen aus der Dunkelheit und aus dem Sitz wird eine art Bett. Ich bin wieder im Bus nach Siem Reap vor einem Monat. Aber da funkt mir wieder die Realität dazwischen. Und so döse ich in diesem Wechselspiel aus Erinnerung und Gegenwart dahin und staune über diese Welt und kann nicht fassen, dass ich ein Jahr in diesem Land gelebt habe und jetzt einfach wieder hier bin.  Und plötzlich füllt ein seltsames Glücksgefühl meinen ganzen Körper. Dankbarkeit. Und über diesen Wechsel schlafe ich ein.

Phase VI

Zurück in Deutschland

Wärend ich so mit meiner Nachfolgerin über Probleme schreibe, die ich selbst genauso gehabt habe und sie Fragen stellt, die ich auch gestellt habe wird mir erstmals bewusst, dass mein Beruf nicht mehr mein Beruf ist. Und auch meine WG nicht mehr existiert. Dass meine Freunde neue Freunde finden und mich immer mehr vergessen werden. An den Punkt, an dem ich Kambodscha verlassen habe kann ich nicht mehr zurück. Er existiert nichtmehr. Das ist kein Heimweh mehr, das ist Nostalgie. Es wird Zeit anzukommen.

Phase V

Zurück in Deutschland

I see that you’re messing me around, I don’t want to know. I don’t want to know.

Radiohead füllt meinen gesammten Körper, Bilder schießen durch meinen Kopf. All die Erinnerungen an Kambodscha, meine Freunde, das Dorf, die wunderschönen Orte, die Kinder. Alles stürzt auf mich ein und plötzlich kommen die Tränen. Zum ersten mal. Und seltsamer Weise macht mich das unglaublich glücklich. Also stehe ich in dieser riesigen Menge, singe, lächle und lasse der Musik ihren Lauf.

Und, wie wars in Kambodscha?

Zurück in Deutschland

 So, zurück in Deutschland habe ich gemerkt, dass sich für mich einiges geändert hat. Ich habe zum Beispiel völlig neue Werte schätzen gelernt, die mir vor diesem Jahr eher unwichtig erschienen. Hier habe ich mal die ersten Dinge aufgezählt, die mir dazu eingefallen sind. Es geht natürlich nicht, Menschen durch so einen kleinen Text von einem anderen Wertesystem zu überzeugen, ich möchte eher zeigen, woraus ein Teil des interkulturelle Lernens für mich  bestanden hat.

Werte, die ich kennen gelernt habe, weil sie in Kambodscha stark vertreten waren:

Verständnis: Vielleicht grenzt es an Häuchelei, aber Verständnis für noch so kleine Problemchen und Wehwehchen des anderen zu zeigen hilft dem Betroffenen oft. An diesem Punkt muss ich wohl noch am stärksten arbeiten. Es hat mich aber an den Menschen in Kambodscha sehr beeindruckt.

Gelassenheit: Bus verpasst? Nimm den nächsten, was bringt es dir dich darüber zu ärgern? Zugegeben, diese Einstellung konnte ich zu Beginn garnicht nachvollziehen. Inzwischen vermisse ich sie.

Offenheit und Gemenischaft: Es ist ein schönes Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören. Das haben die Menschen in Kambodscha verstanden und desswegen werden überall neue Kontakte geknüpft. Vielleicht ist es nur eine nette Unterhaltung mit einem Fremden, vielleicht entsteht eine neue Freundschaft. Es ist in Kambodscha ok, Menschen anzusprechen, sie aus ihrer Anonymität zu locken. Und das finde ich toll. Man trifft immer interessante Leute, auch wenn man eher zu der schüchteren Sorte Mensch gehört. Außerdem wird der grenzenlose Indivdualismus auch mal etwas zurück geschraubt, sodass keiner auf der Strecke zrück bleiben muss

Großzügigkeit: Gerade bei Essen ist es ein schönes Gefühl mit jedem zu teilen und eine prima Gelegenheit neue Kontakte zu knüpfen. So wurde einem in Kambodscha ununterbrochen irgendetwas zugesteckt. Das würde ich gerne übernehmen.

Werte die ich kennen gelernt habe, weil es einen Mangel an etwas in Kambodscha gab:

Dankbarkeit für eigene Privilegien:
Ich denke, das ist der Klassiker, aber wenn man so lange in einem Land des globalen Südens lebt, beginnt man zu sehen wie unglaublich viel man eigentlich hat. Ob materieller Form oder nicht. Ich bin dafür unglaublich dankbar und würde gerne etwas dafür tun, dass mehr Menschen so ein einfaches Leben genießen können.

Umweltbewusstsein: Wenn man einmal gesehen hat, wie ein Ort im Müll versinkt, überlegt sich in Zukunft drei mal, ob es wirklich die plastik verpackten Trauben sein müssen. In Kambodscha wird Müll oft, teils auch wegen Fehlen der Müllabfuhr einfach auf die Straße geworfen. Auf dem Land wird er oft auch einfach verbrannt. Dadurch, dass ich mich so umfangreich damit beschäftigen musste, was ich mit meinem Müll anstellen soll, ist mir aber auch erstmals wirklich klar geworden, dass Müll nicht einfach verschwindet, nur weil man ihn wegwirft. Desswegen werfe ich inzwischen weniger Dinge weg und kaufe auch bewusster ein.  Seccond Hand ist dein Freund.

Natürlich beschränkt sich das ganze nicht nur auf Müll, aber das geht hier zu weit.

Bewusstsein für globale Zusammenhänge: Gut, ich habe keine Fabriken zusammenstürzen sehen und von keinen Näherinnen gehöhrt, die vor Erschöpfung zusammenbrachen. Das ist aber auch garnicht der Punkt. Die Menschen, die in diesen Fabriken arbeitet, verdienen viel zu wenig Geld, um jemals eine Chance zu bekommen ihren Lebensstandard zu erhöhen, ob durch Bildung, Selbstständigkeit oder Sparen. Ein Shirt von H&M kostet in Kambodscha ca. 4$. Darin inbegriffen ist der Preis für die Reccourcen, die Arbeit der Nährinnen und noch ein großer Teil Profit für die Verkäuferinnen. Da kann es doch nicht mit fairen Löhnen zugehen. Ganz abgesehen davon, dass es in Kambodscha keine gesetzlichen Versicherungen gibt, die Arbeiterinnen stehen also, dank der fehlenden Möglichkeit zu sparen immer eine Krankheit, einen Unfall, einen Todesfall vor dem Ruin.

Wir haben durch unseren Wohlstand eine gewisse Verantwortung, den Konsum so zu lenken, dass solch eine Ausbeutung nicht möglich ist. Das ist mir in Kambodscha klarer als je zuvor geworden.

Phase IV

Zurück in Deutschland

So langsam will keiner mehr etwas von Kambodscha wissen. In meinem Kopf beginnt trotzdem jeder Satz mit „Also in Kambodscha…“. Teils ignoriere ich also das Desinteresse, teils sage ich einfach nichts. Aber alle erzählen doch von ihrem Leben, das war mein Leben. Und wieso tun alle interessiert, wollen aber nur eine fünfminütige Präsentation, wie Kambodscha denn so war und dann niewieder etwas davon höhren?

Phase III

Zurück in Deutschland

Abendessen. Lasagne. Keine Spinatlasagne, weil das essen die Kinder nicht. Naja, trotzdem Lasagne. Es fühlt sich an, als wäre ich nur mal eben zur Tür raus gegangen. Alles ist wie vor einem Jahr. Seltsam. Also esse ich meine Lasagne, da beginnen die Kinder, sie würden keine Lasagne mögen. Mir doch egal. Dann halt kein Abendessen, wie kann man so wählerisch sein? Da bekommen sie schon Nudeln stattdessen. Ich kann es nicht fassen. Und irgendwie ärgert mich diese Undankbarkeit und der Überfluss. In Kambodscha war das irgendwie anders.

Herzensorte

Zurück in Deutschland

Ich bin ja doch etwas in Kambodscha herum gekommen und bin auf Orte und Projekte getroffen, die mich umgehauen haben oder enttäuscht zurückgelassen habe.

Desswegen hier eine kleine Liste mit Reisezielen:

Phnom Penh: Einen Spätnachmittag an der Riverside mit Lesen oder Sonstigem zu verbringen war eine der schönsten Dinge, die ich in meinem Jahr gemacht habe. Ob man nun den Kindern beim Fußballspielen, den Frauen beim Trainieren oder den Senioren beim Federfußball spielen zusieht. Hier findet das Leben statt.  Am Abend kann man dann für etwas Kleingeld noch den Tanzgruppen auf der Fußgängerfläche beitreten und die gesparte Energie im Dämmerlicht hraustanzen.

Mondulkiri: Monulkiri Project  ist eine Elephant Sanctury, die ihren Tiere mit Respekt und Vorsicht gegenüber treten. Die Elefanten können sich frei bewegen und dürfen nicht geritten werden. Die Pfleger gehören zu dem Bonong Volk, dass es als Minderheit ohne Zugang zu Schulen schwer hat. Außerdem möchte die Sanctury ein Breeding Project staten, um das aussterben der Elefanten in Kambodscha zu verhinden. Als Besucher darf man die Elefanten füttern und mit ihnen baden gehen, was für mich ein atemberaubendes Erlebnis war.

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Battambang: Phare Ponleu Selpak unterrichtet Kinder mit schwierigen Hintergründen in der Kunst der Zirkus, unter der Bedingung, dass sie in die Schule gehen. Das Ergebnis ist eine tolle Akrobatikshow.

Der Bamboo Train ist ein Muss, solange es ihn noch gibt. Mit ungehäurem getöse brettert man durch wunderschöne Landschaften und lässt sich vom Wind die Haare zerzausen.

Kampot: Wenn man Zeit hat und nicht viel Platz braucht sollte auf jeden Fall den Zug von Phnom Penh nach Kampot nehmen. Man nimmt sich selten so viel Zeit die Natur Kambodschas zu bestaunen.

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EDEN Eco Village zeigt, wie mühelos Ecotourismus und Luxus vereinbar sind. Die Zimmer gehören mit 20$ die Nacht für ein Doppelzimmer zwar nicht mehr zu den klassischen Backpackerzielen, aber es ist jeden Dollar wert. Das öko-Konzept ist bis ins Detail durchdacht, aber trotzdem hat man zu keiner Sekunde das Gefühl seine Standards senken zu müssen. Ganz im Gegenteil, dieses Guesthouse ist bestimmt eines der schönsten, in denen ich in Kambodscha geschlafen habe. Nur das Essen und das Personal haben mich leider nicht ganz überzeugt und ohne Moto ist das Guesthouse nur sehr teuer zu erreichen.

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Das Arcadia ist zwar leider weder sozial, noch ökologisch wertvoll, aber auf jeden Fall ein riesen Spaß. Ob Kajaks, Schiffsschaukel oder Sprungturm, dort gab es alles.

Epic Arts gibt nicht nur körperlich eingeschränkten Menschen einen Job und fördert viele weitere Prijekte, sie haben auch die besten AUbergineröllchen mit Couscoussalat aller Zeiten! Ein wundervolles Café mit gemütlicher Atmosphäre.

Koh Tha Kiev: Das Kactus ist das einzige Guesthouse an diesem Strand der Insel und wird von einem spirituell angehauchten, aber sehr offenen Franzosen gegründet. Gegessen wird gemeinsam, und man schläft in Hütten mit Panoramameerblick. Um 10 wird dann der Strom abgestellt und auch das Wasser wird sparsam verwendet. Noch kein Ökotourismus zwar, jedoch durch die Simplizität sehr nah dran. Und wunderschön.

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Überall: Es ist unschlagbar, sich nach einem anstrengenden Tag im Schatten eines Baumes auf einem Reisfeld etwas auszuruhen. Es ist so still wie sonst nirgends und zur Regenzeit ist man von einem Grün umgeben, dass in keinem Eck Europas zu finden ist.

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Phase II

Zurück in Deutschland

Ein Mann beginnt mich von der Seite anzuschimpfen. Mein Koffer sei zu groß für die volle Ubahn. Was wenn jemand durch wolle?

Will aber keiner.

Seltsam, wie Leute sich hier um Probleme kümmern, die garnicht existieren und sie, selbst dann auch garnichts angehen würden. Man könnte meinen die Leute ärgerten sich gerne.

Ich fühle mich krank. Erschöpft. Ich will einfach nur irgendwo ankommen, egal wo.

Phase I

Zurück in Deutschland

Da unten ist es also. Deutschland. Es erinnert mich an das Video, das ich beim Start des Flugeuges vor einem Jahr gemacht habe. Nur falsch. Alles ist falsch. Ich fühle Trauer. Verwundert observiere ich dieses Gefühl von außen. Eigentlich ist mir nach weinen. Eigentlich aber nicht. Also kapsel ich mich weiter von dem Gefühl ab, das aber trotzdem noch in mir steckt und drückt. Ich will einfach nur nach Hause.

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Und plötzlich ist es vorbei

Der letzte Monat

Als ich so meine letzten Habsehligkeiten in den, schon jetzt viel zu vollen Koffer presse, wird mir auf einmal klar, dass ich dieses Haus heute für immer verlassen werde. Das ist das Ende. Kambodscha liegt quasi hinter mir. Die Emotionen überollen mich mit der Geschwindigkeit eines D-Zuges. Auf den Schock muss ich mich erstmal hinsetzen. Auf den Boden. Um mich herum liegen alle Möglichen Dinge verstreut. Mein Pass, gemalte Bilder, ein Holzelefant, und und und. Aber trotzdem wirkt das Zimmer leer. Ich fühle mich verloren, vergesse was ich gerade tun wollte, bleibe also erstmal sitzen. Radiohead säuselt mir ins Ohr: I see that you’re messing me around… Es klopft an der Tür. Inka! Genau die brauche ich jetzt! „Jaa?!“ rufe ich mit halb erstickter Stimme. Ein Typ guckt herein. Den kenne ich doch. „Ähm, hast du dein Moto schon verkauft?“ „Ja, Samstag ist Übergabe“ „Achso, ja ok, danke, dann noch viel Glück beim packen..“ Die Tür geht wieder zu. Wer zur Hölle ist das gewesen? Woher kenne.. oh ja, packen. Irgendwie ist es mir auch egal, wer da gerade durch mein Haus maschiert, wie er herein gekommen ist und was er hier macht. Zu viele Gefühle vernebeln mir den Kopf.

Eine ganze Weile später habe ich mich dann aber doch wieder gefasst und packe mechanisch meinen Koffer. Die Waage sagt 32 kg, aber damit komme ich schon durch. Am Flughafen würde sich herausstellen, dass ich in meiner Verwirrung falsch gewogen habe. Der Koffer wiegt tatsächlich stolze 36kg. Aber es wäre ja auch schade zu gehen, ohne zumindest ein wenig Chaos zu verursachen.